Mit
dem Aschermittwoch beginnt die hl. Quadragesima, die am Karsamstag endigt. Sie
umschließt ein vierzigtägiges, gebotenes Fasten. Davon stammt der alte deutsche
Name Fastenzeit.
Schon
die Zahl 40 ist an der Fastenzeit bedeutsam. Sie ist in der Geschichte der
Offenbarung meist mit Sühne und Buße verknüpft: 40 Tage und 40 Nächte strömte
der Regen der strafenden und sühnenden Sintflut; 40 Jahre mußten die Israeliten
vor dem Einzug in das Gelobte Land in der Wüste ausharren und wandern; 40 Tage
fastete Moses, ehe er von Gott auf dem Sinai das Gesetz für sein Volk empfing;
unter 40tägigem Fasten pilgerte der Prophet Elias zum Berge Horeb, wo Gott den
Seher alsdann eine wunderbare Offenbarung schauen ließ ( 3 Kön 19); 40 Tage und
Nächte fastete Christus selbst in der Wüste vor seinem öffentlichen Auftreten
und Lehren, vor der Verkündigung der Frohbotschaft und des Gesetzes des Neuen
Bundes.
Liturgisch
ist die Fastenzeit die nächste Vorbereitung auf das hl. Osterfest und die
Osterzeit. Diese Vorbereitung bewegt sich in drei großen Gedanken. Ohne diese
Leitgedanken ist es unmöglich, in den Reichtum der Fastenliturgie einzudringen.
Die drei Gedanken sind: Leiden Christi, Taufe und Buße.
Schon
an einigen Sonntagen nach Erscheinung kündigt sich der Gedanke an den Kampf
Christi mit Satan und an sein Leiden an; in stärkerem Maße geschieht das in der
Vorfastenzeit, bis er gegen Ende der hl. Fastenzeit, insbesondere in der
Passions- und Karwoche, der herrschende Gedanke wird. Der Kampf zwischen
Christus und Satan, zwischen Licht und Finsternis, ist aber nicht ein Kampf
Christi allein; auch wir werden in diesen Kampf hineingestellt: Christus ringt
in uns mit Satan, gegen die Sünde; er will in uns siegen, in uns an Ostern
auferstehen. Diesen Sieg erringen wir mit ihm aber nur dann, wenn wir mit ihm
leiden und der Welt, dem alten Menschen, der Sünde, gekreuzigt werden.
Einen
ganz hervorragenden Platz nimmt in der Liturgie der Fastenzeit der Gedanke an
die hl. Taufe ein. Vom Sonntag zu Sonntag bekräftigen und vertiefen manche
Lesungen den Unterricht, den die Katechumenen über die Glaubenswahrheiten
erhielten; auch wurden die Taufbewerber während dieser Zeit mehreremal geprüft
(Skrutinien) und an ihnen verschiedene Beschwörungen vorgenommen: so diente ein
Gutteil der jetzigen Meßtexte der Fastenzeit, besonders die der Wochentage, der
Vorbereitung der Katechumenen auf die hl. Taufe, die sie in der Osternacht
erhalten sollten. – Wir Getaufte sollen an der Hand dieser Meßfeiern zum richtigen
Verständnis der Würde und Verpflichtung der Taufe kommen und in uns den Eifer
für ein wahrhaft christliches Leben erneuern. So wird die hl. Fastenzeit eine
wahre Geistes- und Lebenserneuerung für uns.
Endlich
schließen wir uns auch den Büßern der alten Kirche an. Alle, die für gewisse
Sünden öffentliche Buße taten, erhielten am Aschermittwoch das Aschenkreuz und
das geweihte Bußkleid; sie blieben bis Gründonnerstag aus der Kirche
ausgeschlossen und durften nur an der Vormesse teilnehmen. Auch wir fühlen uns
in der hl. Fastenzeit als Büßer und nehmen das Aschenkreuz zum Zeichen unsrer
Bereitwilligkeit, in diesen Wochen mehr als sonst ein Leben der Bußstrenge zu
führen.
Im
Geiste der Reue, Zerknirschung und Sühne wollen wir uns Gewalt antun und gegen
Fleisch, Welt und Sünde kämpfen. Dazu dienen die von der Kirche stets
empfohlenen Bußwerke des Fastens, Betens und Almosengebens.
Da
der Leib als Werkzeug der Seele mitgesündigt hat, soll er auch mitbüßen. Es
wäre eitle Selbsttäuschung, wollte man das Fasten, die körperliche Abtötung,
für überflüssig halten. Christus selbst gibt den Seinen das Beispiel des
Fastens, und die hl. Kirche verpflichtet ihre Kinder vom vollendeten 21. bis
zum begonnenen 60. Lebensjahr durch ein strenges Gebot dazu. Wollten wir dieses
Gebot übertreten, so würden wir uns zwar nicht durch die Speisen verunreinigen,
wohl aber gegen die von Christus gesetzte Autorität der Kirche versündigen. Die
Präfation der Fastenzeit faßt den Segen des Fastens treffend zusammen. Auch
die, welche körperliches Fasten und körperliche Bußwerke nicht leisten können
und rechtmäßig davon befreit oder entschuldigt sind, bleiben verpflichtet, sich
ein geistiges Fasten aufzulegen. Es besteht im aufrichtigen Willen zur
Lebensbesserung und in der Übung guter Werke. Von dieser Pflicht sprechen die
Gebete und Lesungen der Fastenliturgie unablässig.
Ebenso
wie die Kirche unter dem Namen Fasten alle Werke christlicher Abtötung
zusammenfaßt, so versteht sie unter dem Namen Gebet alle frommen Übungen, mit
denen sich die Seele an Gott wendet. Die Teilnahme am Sühnopfer der hl. Messe,
fromme Lesungen und Betrachtungen über die Heilswahrheiten und über das bittere
Leiden und Sterben des Erlösers, der Besuch der Fastenpredigten, das Beten des
Kreuzwegs, vor allem der Empfang der hl. Sakramente der Buße und des Altares:
das sind die wichtigsten Mittel, wodurch die Gläubigen dem Herrn die Huldigung
des Gebetes darbringen können.
Das
Almosen umfaßt alle Werke der Barmherzigkeit gegen den Nächsten. Die hl.
Kirchenlehrer haben es einstimmig als die notwendige Vervollständigung des
Fastens und des Gebetes während der Fastenzeit empfohlen. «Das von Fasten und
Almosen begleitete Gebet ist besser, als Schätze von Gold aufhäufen; denn das
Almosen errettet vom Tode; es reinigt von Sünden und bewirkt, daß man
Barmherzigkeit und das ewige Leben findet.» (Tob 12, 8 u. 9).
Ein
Mittel, um uns die Früchte der Fastenzeit zu sichern, ist der Geist der
Zurückgezogenheit. Der Christ soll daher vorab in diesen Tagen die eitlen
Vergnügungen und weltlichen Unterhaltungen meiden.
„In
der Beobachtung der Fasten“, sagt der gelehrte und milde Papst Benedikt XIV.,
„liegt die Zucht unsrer Heerschar. Durch sie unterscheiden wir uns von den
Feinden des Kreuzes Jesu Christi; durch sie wenden wir die Geißel des göttlichen
Zornes von uns ab; durch sie, während des Tages von himmlischer Hilfe
geschützt, stärken wir uns gegen den Fürsten der Finsternis. Wenn diese hl.
Übung nachläßt, so geschieht dies zum Nachteil der Verherrlichung Gottes, zur
Schmach der katholischen Religion, zur Gefährdung der christlichen Seelen. Uns
kann kein Zweifel darüber obwalten, daß diese Nachlässigkeit eine Quelle von
Leiden und Unheil in den öffentlichen Angelegenheiten der Völker und aller Art
von Mißgeschick für die einzelnen bedeutet“ (30. Mai 1741).
Published
on 14. Februar 2018
‘Tu, Domine, servabis nos’