zaterdag 29 mei 2021

Drievuldigheidszondag Im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Theo­lo­gie hat mit Hilfe der grie­chi­schen Phi­lo­so­phie die Wahr­heit von der Drei­per­sön­lich­keit Got­tes in die For­mel gefaßt: Eine Natur und drei Hypostasen. Hypostasen, das heißt drei Trä­ger, drei per­sön­li­che Trä­ger des gött­li­chen Wesens. Das Geheim­nis der Drei­fal­tig­keit wäre uns nie­mals auf­ge­gan­gen ohne gött­li­che Mit­tei­lung. Wir wis­sen nur davon, weil Gott es uns gesagt hat, und wir kön­nen es auch nach sei­ner Mit­tei­lung nicht aus­schöp­fen. Die Tat­sa­che ist uns durch Got­tes Offen­ba­rung gewiß, aber das Wesen und die Eigen­art die­ser Tat­sa­che bleibt uns ver­schlos­sen.
Ist denn aber dann die Drei­fal­tig­keit, die Drei­ei­nig­keit, die Drei­per­sön­lich­keit Got­tes ein leben­di­ges Dogma, oder ist es nur etwas, was unser Den­ken beschäf­ti­gen soll? Greift die­ses Dogma in unser Leben ein? Hat es einen Lebens­wert und eine Lebens­macht? Gewiß, wir spen­den die Taufe im Namen des drei­fal­ti­gen Got­tes, wir geben den Segen im Namen des drei­ei­ni­gen Got­tes, wir beten im Glau­bens­be­kennt­nis zum Vater und zum Sohn und zum Hei­li­gen Geist. Im gläu­bi­gen Mit­tel­al­ter hat man kaum eine wich­tige Hand­lung unter­nom­men, ohne den drei­fal­ti­gen Gott anzu­ru­fen. Da wur­den Frie­dens­schlüsse im Namen des drei­fal­ti­gen Got­tes getä­tigt, da hat man Urkun­den im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes begon­nen. Schen­kun­gen und Tes­ta­mente wur­den auf­ge­setzt im Namen des drei­ei­ni­gen Got­tes. Die­ser All­tags­ge­brauch sagt etwas über die Lebens­macht des Dog­mas von der Drei­ei­nig­keit aus. Wir kön­nen mit Hilfe die­ses Dog­mas in drei Lebens­räume hin­ein­schauen, in den Lebens­raum des Soh­nes, in den Lebens­raum Got­tes und in den Lebens­raum der Men­schen.
Das Dogma von der Drei­per­sön­lich­keit Got­tes öff­net uns einen Blick in den Lebens­raum Jesu. Sein Leben war nichts ande­res als ein Leben im drei­per­sön­li­chen Gott, im Vater und im Hei­li­gen Geist. Vom Vater geht er aus. Bevor Abra­ham ward, ist er beim Vater. Vom Vater wird er zu uns gesandt und zum Vater kehrt er wie­der heim. „Vater, in deine Hände befehle ich mei­nen Geist.“ Das Leben Jesu war ein Leben im drei­fal­ti­gen Gott. Vom Vater wird er gesandt zu uns, und zum Vater kehrt er heim von uns. Der Vater legt ihn uns ans Herz, und unsere Nähe zum Vater bringt gleich­zei­tig die Nähe zu ihm und zum Hei­li­gen Geist. Wahr­haf­tig, das Leben Jesu war ein Leben im drei­fal­ti­gen Gott. Das Abba-Sagen, das Vater-Sagen war das Wesent­li­che sei­nes Lebens. Er ist vom Vater aus­ge­gan­gen, und er kehrt zum Vater zurück. Wenn wir in das Leben Jesu hin­ein­schauen, dann sehen wir, daß die­ses Leben über­wölbt ist von der Liebe zum Vater. Der Vater ist seine ganze Freude. „Der Vater liebt mich“, sagt er mit zit­tern­der Innig­keit. Der Vater ist sein Gebet. „Vater, ich danke dir für diese Stunde.“ Der Vater ist seine Norm. „Nicht mein Wille geschehe, son­dern der deine.“ Wahr­haf­tig, das Leben Jesu war ein Leben im Banne des drei­ei­ni­gen Got­tes. „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir.“ Und er sen­det den Geist, der vom Vater und vom Sohne zusam­men aus­geht.
Vom Leben Jesu, vom Innen­raum des Lebens Jesu, fällt dann ein Blick auf den Innen­raum der Gott­heit. Die Gott­heit ist ein Schen­ken und Emp­fan­gen. Das ist das Cha­rak­te­ris­ti­sche in Gott: ein Schen­ken und ein Emp­fan­gen. Der Sohn ist nichts ande­res als das Emp­fan­gen des Wesens des Vaters, und der Hei­lige Geist ist nichts ande­res als das Emp­fan­gen des gött­li­chen Wesens aus der Hand des Vaters und des Soh­nes. Das Leben Got­tes, das innere Leben Got­tes ist ein Ver­strö­men, ein Aus­tausch, ein Ein­ge­hen und Aus­ge­hen vom Vater über den Sohn zum Hei­li­gen Geist.
Der Evan­ge­list Johan­nes nennt die zweite Per­son in Gott das „Wort“, den „Logos“. Damit will er aus­sa­gen, daß der Sohn nichts ande­res ist als die Aus­spra­che des Vaters. Indem der Vater sich selbst aus­spricht, ent­steht, wenn ich so sagen darf, der Sohn, von Ewig­keit her selbst­ver­ständ­lich, nicht in der Zeit. Der Sohn ist die Aus­spra­che des Vaters, er ist das Wort des Vaters, er ist das Wis­sen Got­tes des Vaters um sich selbst. Des­we­gen sagt der Hebrä­er­brief, daß Jesus, der Got­tes­sohn, das Abbild, das Eben­bild des Vaters ist. Und um jede geschöpf­li­che Aus­sage von ihm zu ver­mei­den, hat die Theo­lo­gie das Wort vom „Zeu­gen“ ein­ge­führt. Zeu­gen heißt eben, ein Eben­bild von sich selbst erwe­cken. Das eben ist das Eben­bild des Vaters: der Sohn, der vom Vater her­vor­geht. Und aus bei­den geht her­vor der Hei­lige Geist, denn der Her­vor­gang des Soh­nes aus dem Vater ist über­wölbt von der Liebe, und wenn die Liebe auf ihren Gip­fel steigt, dann wird sie eine Per­son, und diese Per­son nen­nen wir den Hei­li­gen Geist. Die­ses Atmen in Gott, die­ser Puls­schlag in Gott, die­ser Ton­fall in Gott ist der Hei­lige Geist. Er ist eine leben­dige Wirk­lich­keit, eine Per­son. Er geht vom Vater und vom Sohne aus durch Hau­chen, durch Atmen, und das soll eben­falls wie­der aus­drü­cken, daß es eben nicht eine Schöp­fung ist, daß nicht eine Krea­tur her­vor­ge­bracht wird, son­dern daß ein Gleich­bild des Vaters und des Soh­nes im Hei­li­gen Geist ent­steht.
Von dem Geheim­nis der Drei­fal­tig­keit, des drei­fal­ti­gen Lebens in Gott fällt auch ein Licht auf den Men­schen. Der Mensch ist näm­lich ein Nach­hall und soll ein Nach­bild Got­tes wer­den. Der Mensch ist ein Nach­hall Got­tes, also ein Echo gewis­ser­ma­ßen. Sie ken­nen viel­leicht die Sage von der Wun­der­mu­schel. Sie ist am Meere auf­ge­wach­sen und ent­stan­den, aber dann wurde sie ins Land getra­gen, und wenn man sie ans Ohr hält, dann ver­nimmt man noch das Rau­schen des Mee­res in die­ser Muschel. Ähn­lich-unähn­lich ist es mit der Schöp­fung; sie ist ein Nach­hall Got­tes. Alles was schön und stark und lebens­kräf­tig in der Schöp­fung ist, das ist eine wun­der­bare Schöp­fung Got­tes. Ja, wahr­haf­tig ein Nach­hall Got­tes, ein krea­tür­li­cher Nach­hall Got­tes. Natür­lich vor allem der Mensch. Wenn der Mensch mit Zeu­gungs­kraft aus­ge­stat­tet ist, mit leib­li­cher und geis­ti­ger Zeu­gungs­kraft, dann ist er in einem beson­de­ren Sinne ein Nach­hall des gött­li­chen Lebens, des inner­gött­li­chen Lebens. Ähn­lich-unähn­lich wie der Vater den Sohn zeugt, so zeu­gen Men­schen ein Kind in kör­per­li­cher Zeu­gung, aber so gibt es auch eine geis­tige Zeu­gung, von der mei­net­we­gen der hei­lige Pau­lus spricht, wenn er sagt, er sei der Vater derer, die er im Glau­ben her­vor­ge­bracht hat, die er zum Glau­ben geführt hat. Das ist eine geis­tige Zeu­gung, und die ist eben wie­derum ein Abbild, ein Nach­hall des inner­gött­li­chen Gesche­hens.
Der Mensch soll auch ein Nach­bild wer­den, ein Nach­bild des inner­gött­li­chen Lebens. Das voll­zieht sich in der Begna­dung. Indem der Mensch die Gnade emp­fängt, ent­steht in ihm ein Lebens­raum, in dem sich das gött­li­che Leben voll­zieht. Ja, wahr­haf­tig, nicht weni­ger und nicht mehr ist es: Durch die Begna­dung ent­steht im Men­schen ein Lebens­raum, in dem sich das gött­li­che Leben voll­zieht. Das ist ein Aus­ge­hen und Ein­ge­hen, das ist ein Schen­ken und Emp­fan­gen, das sich in der Seele des begna­de­ten Men­schen abspielt. Jesus sagt es ja: „Wir wer­den kom­men und in ihm – im begna­de­ten Men­schen – Woh­nung neh­men.“ Gott nimmt Woh­nung im begna­de­ten Men­schen und voll­zieht in ihm sein gött­li­ches Leben. Das liegt in Tie­fen, die wir natür­lich mit den Sin­nen nicht erfas­sen kön­nen und die wir selbst mit dem Ver­stand nicht begrei­fen kön­nen. Er ist eben ein Gott der dunk­len Kam­mer; er ist ein ver­bor­ge­ner Gott. Aber er ist ein Gott, der seine Ver­hei­ßun­gen erfüllt. Wenn er sagt: „Wir wer­den kom­men“, dann kommt er auch. Gott wirkt in unse­rer Seele und will in unse­rer Seele ein Nach­bild sei­nes Wesens schaf­fen. Die Hei­lige Schrift spricht von einer „Teil­nahme an der gött­li­chen Natur“. Wer begna­det ist, ist teil­haf­tig der gött­li­chen Natur, er ist also erho­ben zu gött­li­chem Sein. Unbe­greif­lich, unfaß­lich – und doch wirk­lich!
Diese Wirk­lich­keit will aber auch wirk­sam wer­den. Sie will wirk­sam wer­den in unse­rem Han­deln, in unse­rem Tun, in unse­rem Las­sen. Es muß also auch in unse­rem Leben ein Strö­men und Ver­strö­men sein, ein Schen­ken und ein Emp­fan­gen. Es muß also in unse­rem Leben eine Soli­da­ri­tät sein, ein Für­ein­an­der und Mit­ein­an­der. Wir haben ja an den ver­gan­ge­nen Sonn­ta­gen gese­hen, daß der Mensch nur zur Voll­kom­men­heit kommt, wenn er sich selbst über­schrei­tet, wenn er sich selbst ver­läßt, wenn er das eigene Ich über­win­det, wenn er zum Du kommt, wenn er das Dus­a­gen lernt in Liebe, in Geduld, in Groß­mut. Nur so kommt der Mensch zur Voll­kom­men­heit. Und jetzt begrei­fen wir auch, warum er nur so zur Voll­kom­men­heit kommt: weil er das gött­li­che Leben, das in ihm ist, nach­voll­zie­hen muß, weil er das aus­drü­cken muß, was Gott in sei­ner Seele kraft der Gnade voll­zieht. Des­we­gen muß der Mensch zum Nächs­ten gehen und soli­da­risch sein mit ihm, ihm die Liebe erwei­sen, und wenn es noch so schwer fällt.
Das Beste, was Gott uns schen­ken konnte, war die Teil­nahme an sei­nem gött­li­chen Leben. Das Beste, was wir ein­an­der schen­ken kön­nen, ist ein aus die­sem gött­li­chen Leben ent­sprie­ßen­des Für­ein­an­der und Mit­ein­an­der. Wir sol­len nicht nur selbst uns Stirn und Mund und Brust bezeich­nen mit dem Kreu­zes­zei­chen und spre­chen: „Im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes“, son­dern wir sol­len es auch ein­an­der tun und zuein­an­der sagen: „Geseg­net seist du im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes.“
Amen.

Prof. dr. G. May, pr.