Wenn
der schleppende Schritt des gichtigen Kapuziners auf den Fliesen des
kaiserlichen Schlosses zu Prag oder im spanischen Königspalast zu Madrid
erklang, rissen die Wachen die Türen auf, und die Schranzen in den Vorzimmern
verbeugten sich bis zum Erdboden; denn der Greis mit den Adleraugen hatte
jederzeit Zutritt zu den Majestäten. Seit er mit sechzehn Jahren Heimat und
Familie um den Preis einer kahlen Zelle und eines rauen Habits eingetauscht
hatte, kannte der junge Cäsar Julius Rossi aus Brindisi nur den einen Gedanken,
die Fackel des wahren Glaubens durch die Länder Europas zu tragen. Er liebte
das Außergewöhnliche, und das Außergewöhnliche teilte sich seiner ganzen
Persönlichkeit mit. Ein Übermaß von Arbeit und Abtötung hatte seine Lungen
zerstört; aber das hinderte ihn nicht, der größte Prediger seiner Zeit zu
werden. Laurentius war einer der charismatischsten und gelehrtesten
Kirchenpersönlichkeiten seiner Zeit, sein Ansehen und sein Einfluss waren groß.
Geboren am 22. Juli 1559 in Brindisi in Apulien, trat Laurentius, inzwischen
Waise, 16-jährig in Venedig dem Kapuzinerorden bei. 1582 empfing er die
Priesterweihe.
Schon
während seines Studiums in Pavia bewies er außergewöhnliche Gelehrtheit, er
sprach mehrere Sprachen fließend und kannte die Bibel auf Griechisch und
Hebräisch auswendig. Als der Papst auf ihn aufmerksam wurde, holte er ihn nach
Rom, damit er dort seine berühmten Predigten hielte. Im Kapuzinerorden
bekleidete Laurentius viele hohe Ämter; so war er ab 1590 Provinzial der
Toskana, ab 1593 von Venedig, von 1602 bis 1605 war er Ordensgeneral. Durch
Laurentius kamen die ersten Kapuziner in den deutschsprachigen Raum. Er
gründete Klöster in Tirol, Bayern, Böhmen und in Wien. Es heißt, dass er die
Visitationen der Abteien in den verschiedenen Ländern zu Fuß absolvierte.
Seinem persönlichen Einsatz und Beistand war der Sieg der kaiserlichen Truppen
über die Türken bei Stuhlweißenburg (11. Oktober 1601) zu verdanken. Laurentius
von Brindisi starb am 22. Juli 1619 in Lissabon während einer Visitationsreise.
Sein Leichnam ruht in der Kirche der Franziskanerinnen von Villafranca del
Bierzo in Nordspanien. 1783 Seligsprechung, 8. Dezember 1881 Heiligsprechung,
1959 Ernennung zum Kirchenlehrer. Laurentius von Brindisi hinterließ ein
reiches Schriftenwerk, das teilweise erst 1925 bis 1956 veröffentlicht wurde.
Eines seiner berühmtesten Werke ist die „Lutheranissimi Hypotypesis” in der die
Lehre Martin Luthers widerlegt wurde.
Jede
Stadt wollte ihn wenigstens einmal gehört haben. Die protestantischen
Prädikanten fürchteten ihn wie die Pest, denn er nahm jede Herausforderung zum
öffentlichen Meinungsaustausch an und wusste dank seiner überragenden Sprach-
und Bibelkenntnisse die Angreifer auf ihrem ureigensten Gebiet so zu schlagen,
dass viele ehrlich Suchende zur Kirche zurückkehrten. Schon glaubte Tycho
Brahe, der dänische Astronom, bei dem schwachen Kaiser Rudolf gewonnenes Spiel
zu haben und die Fahne des Protestantismus auf den Zinnen der Hofburg
aufpflanzen zu können, als Laurentius von Brindisi das Ränkespiel zerstörte und
den Herrscher auf die Seite derer hinüberzog, die im Aufruhr der Zeit treu zum
Glauben standen. Einmal gewonnen, verlangte ihn der Kaiser zum Generalkommissär
von ganz Deutschland, und Laurentius begann seine große Missionsreise quer
durch Bayern, die Pfalz und Sachsen. Jede Leisetreterei war ihm verhasst; er
sah in der Lehre Luthers das Erbübel seines Jahrhunderts und war entschlossen,
es zurückzudrängen, wo und wie er nur konnte. Als die Übermacht der
protestantischen Union die katholischen Länder zu erwürgen drohte, war er es,
der die katholischen Fürsten zur Liga zusammenschweißte und nach Spanien eilte,
um den Beitritt Philipps III. zu erwirken.
Wo
immer ein geistiger Kampf ausgefochten wurde, stand der dunkeIhäutige
Kapuziner, der ebenso geläufig Deutsch wie Spanisch, Italienisch, Böhmisch,
Französisch, Griechisch, Lateinisch, Hebräisch und Chaldäisch sprach, auf dem
Posten. Aber auch auf dem Schlachtfeld erzwang er den Sieg für die Fahne
Christi. In der Türkenschlacht bei Stuhlweißenburg entflammte er die
christlichen Regimenter zu solcher Begeisterung, dass die vierfache Übermacht
der Feinde in die Flucht geschlagen wurde. Am Mut dieses armen Kapuziners
zerschellte die Welle des Islams, die das Abendland zu überrollen drohte. Fast
vergisst man neben solchen weltgeschichtlichen Ereignissen, dass Laurentius von
Brindisi, der Feldpater des kaiserlichen Heeres, auch in seinem Orden noch
Ämter und Pflichten hatte - als Professor, als Guardian, Provinzial,
Generaldefinitor und von 1602 bis 1605 als General. Er selbst vergaß jedoch
keine seiner Pflichten, führte regelmäßig und sorgfältig die Visitationen der
Klöster durch und hütete eifersüchtig das Armutsgebot des Ordensvaters. Um auch
den Gehorsam zu üben, unterstelIte er sich der Leitung eines einfachen
Laienbruders. Dessen Obsorge konnte freilich nicht verhüten, dass Laurentius
ein Opfer seiner übermenschlichen Mühen wurde. Im Jahre 1618 baten ihn die
Adelsfamilien Neapels, nach Spanien zu reisen, um die Absetzung des
gewalttätigen spanischen Statthalters zu erwirken. Obwohl krank, reiste er ab
und führte seinen Auftrag auch glücklich aus. Doch warf ihn bei der Ankunft in
Lissabon die Ruhr aufs Krankenlager. Am 22. Juli 1619, an seinem 60.
Geburtstag, verstummte der große Mahner des christlichen Europas.
Dr.
Johannes Gamperl
OASE
des Friedens, Mai 2017