zondag 1 mei 2016

Der freudenreiche Rosenkranz mit Benedikt XVI - 1

Jesus, der von den Toten auferstanden ist

JESUS VON NAZARETH, der Gekreuzigte, ist am dritten Tag van den Toten erstanden, nach der Schrift. Die Botschaft, welche die Engel im Morgengrauen jenes ersten Tages nach dem Sabbat Maria Magdalena und den anderen Frauen, die zum Grab geeilt waren, verkündeten, hören wir heute wieder neu mit innerer Ergriffenheit: «Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden» (Lukasevangelium 24,5f).
Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was diese Frauen in jenem Moment empfanden: Traurigkeit und Erschütterung über den Tod ihres Herrn mischten sich mit Unglauben und Staunen über das, was zu ausserordentlich erschien, um wahr sein zu können. Das Grab war offen und leer: Der Leichnam war nicht mehr da. Petrus und Johannes liefen auf die Nachricht der Frauen hin schnell zum Grab und stellten fest, dass diese recht berichtet hatten. Der Glaube der Apostel an Jesus, den erwarteten Messias, war durch das Ärgernis des Kreuzes auf eine sehr harte Probe gestellt worden. Bei Jesu Festnahme und angesichts seiner Verurteilung und seines Todes waren alle auseinandergelaufen; nun hatten sie wieder zusammengefunden, ratlos und verwirrt.

Doch der Auferstandene selbst kam ihrem ungläubigen Verlangen nach Sicherheiten entgegen: Diese Begegnung war kein Traum, keine Illusion oder subjektive Vorstellung; es war eine reale, wenn auch unerwartete und gerade deshalb besonders eindrucksvolle Erfahrung. «Jesus kam, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!» (Johannesevangelium 20,19.
Bei diesen Worten flammte in ihren Herzen der beinahe erloschene Glaube wieder auf. Die Apostel berichteten dem Thomas, der bei dieser ersten aussergewönlichen Begegnung nicht zugegen gewesen war: Jawohl, der Herr hat erfüllt, was er angekündigt hatte; er ist wirklich auferstanden, und wir haben ihn gesehen und angefasst! Thomas aber blieb zweifelnd … Als Jesus acht Tage darauf zum zweiten Mal in den Abendmahlssaal kam, sagte er zu ihm: «Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!» Die Antwort des Apostel ist ein bewegendes Glaubensbekenntnis: «Mein Herr und mein Gott!» (Johannesevangelium 20,27ff) …

Dieser Glaube, der im Laufe der Jahrhunderte von den Nachtfolgern der Apostel weitergegeben wurde, besteht weiter, denn der auferstandene Herr stirbt nicht mehr. Er lebt in der Kirche und führt sie sicher bis zur Vollendung seines ewigen Heilsplanes.

Jeder von uns kann versucht sein, dem Unglauben des Thomas zu verfallen. Der Schmerz, das Böse, die Ungerechtigkeiten, der Tod, besonders wenn Unschuldige betroffen sind, … stellt all das unseren Glauben etwa nicht auf eine harte Probe? Und doch ist uns paradoxerweise gerade in diesen Fällen der Unglaube des Thomas nützlich und wertvoll, weil er uns hilft, alle falschen Vorstellungen von Gott zu läutern, und uns dazu führt, sein wahres Angesicht zu entdecken: das Angesicht eines Gottes, der in Christus die Qualen der verwundeten Menschheit auf sich genommen hat. Thomas hat die Gabe eines durch Jesu Passion und Tod geprüften und durch die Begegnung mit ihm als dem Auferstandenen bestärkten Glaubens vom Herrn empfangen und an die Kirche weitergegeben. Eines Glaubens, der fast gestorben war und dank der Berührung mit Christi Wunden wiedergeboren wurde – mit jenen Wunden, die der Auferstandene nicht verborgen, sondern gezeigt hat und auf die er uns in der Not und dem Leiden eines jeden Menschen immer noch hinweist.

Botschaft zum Segen «Urbi et Orbi», 8.4.2007