Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was diese Frauen
in jenem Moment empfanden: Traurigkeit und Erschütterung über den Tod ihres
Herrn mischten sich mit Unglauben und Staunen über das, was zu ausserordentlich
erschien, um wahr sein zu können. Das Grab war offen und leer: Der Leichnam war
nicht mehr da. Petrus und Johannes liefen auf die Nachricht der Frauen hin
schnell zum Grab und stellten fest, dass diese recht berichtet hatten. Der
Glaube der Apostel an Jesus, den erwarteten Messias, war durch das Ärgernis des
Kreuzes auf eine sehr harte Probe gestellt worden. Bei Jesu Festnahme und
angesichts seiner Verurteilung und seines Todes waren alle auseinandergelaufen;
nun hatten sie wieder zusammengefunden, ratlos und verwirrt.
Doch der Auferstandene selbst kam ihrem ungläubigen
Verlangen nach Sicherheiten entgegen: Diese Begegnung war kein Traum, keine
Illusion oder subjektive Vorstellung; es war eine reale, wenn auch unerwartete
und gerade deshalb besonders eindrucksvolle Erfahrung. «Jesus kam, trat in ihre
Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!» (Johannesevangelium 20,19.
Bei diesen Worten flammte in ihren Herzen der beinahe
erloschene Glaube wieder auf. Die Apostel berichteten dem Thomas, der bei
dieser ersten aussergewönlichen Begegnung nicht zugegen gewesen war: Jawohl,
der Herr hat erfüllt, was er angekündigt hatte; er ist wirklich auferstanden,
und wir haben ihn gesehen und angefasst! Thomas aber blieb zweifelnd … Als
Jesus acht Tage darauf zum zweiten Mal in den Abendmahlssaal kam, sagte er zu
ihm: «Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht
ungläubig, sondern gläubig!» Die Antwort des Apostel ist ein bewegendes
Glaubensbekenntnis: «Mein Herr und mein Gott!» (Johannesevangelium 20,27ff) …
Dieser Glaube, der im Laufe der Jahrhunderte von den
Nachtfolgern der Apostel weitergegeben wurde, besteht weiter, denn der
auferstandene Herr stirbt nicht mehr. Er lebt in der Kirche und führt sie
sicher bis zur Vollendung seines ewigen Heilsplanes.
Jeder von uns kann versucht sein, dem Unglauben des
Thomas zu verfallen. Der Schmerz, das Böse, die Ungerechtigkeiten, der Tod,
besonders wenn Unschuldige betroffen sind, … stellt all das unseren Glauben
etwa nicht auf eine harte Probe? Und doch ist uns paradoxerweise gerade in
diesen Fällen der Unglaube des Thomas nützlich und wertvoll, weil er uns hilft,
alle falschen Vorstellungen von Gott zu läutern, und uns dazu führt, sein
wahres Angesicht zu entdecken: das Angesicht eines Gottes, der in Christus die
Qualen der verwundeten Menschheit auf sich genommen hat. Thomas hat die Gabe
eines durch Jesu Passion und Tod geprüften und durch die Begegnung mit ihm als
dem Auferstandenen bestärkten Glaubens vom Herrn empfangen und an die Kirche
weitergegeben. Eines Glaubens, der fast gestorben war und dank der Berührung
mit Christi Wunden wiedergeboren wurde – mit jenen Wunden, die der
Auferstandene nicht verborgen, sondern gezeigt hat und auf die er uns in der
Not und dem Leiden eines jeden Menschen immer noch hinweist.