Antonello da Messina, Ecce Homo (ca. 1473). Piacenza. Collegio Alberoni |
Jesus, der für uns mit Dornen gekrönt worden ist
DER ALS
PSEUDOKöNIG verurteilte Jesus
wird verspottet, aber im Spott kommt auf grausame Weise Wahrheit zum Vorschein.
Wie oft sind Insignien der Macht, die die Mächtigen der Welt tragen, Hohn auf
die Wahrheit, auf die Gerechtigkeit, auf die Menschenwürde. Wie oft sind ihre
Rituale und ihre groszen Worte in Wahrheit nichts als pompöse Lügen,
Karikaturen des Auftrags, den ihnen ihr Amt gibt: im Dienst des Guten zu
stehen.
Jesus,
der Verspottete, der die Krone des Leidens trägt, ist gerade so der wahre
König. Sein Zepter ist Gerechtigkeit (vgl. Psalm 45,7). Gerechtigkeit kostet
Leiden in dieser Welt: Er, der wahre König, herrscht nicht durch Gewalt, sondern
durch die Liebe, die für uns und mit uns leidet. Er nimmt das Kreuz auf sich –
unser Kreuz, die Last des Menschseins, die Last der Welt. So geht er uns voran
und zeigt uns, wie wir den Weg zum wirklichen Leben finden.
Herr, du
hast dich verspotten und beschimpfen lassen. Hilf uns, dass wir nie in den
Spott auf die Leidenden und die Schwachen einstimmen. Hilf uns, in den
Erniedrigten, in den an den Rand Gestoszenen, dein Gesicht zu erkennen. Hilf
uns, nicht vor dem Spott der Welt zurückzuschrecken, wenn der Gehorsam gegen
deinen Willen verächtlich gemacht wird.
Du hast
das Kreuz getragen und uns eingeladen, dir auf diesem Weg nachzufolgen
(Matthäusevangelium 10,38). Hilf uns, das Kreuz anzunehmen, nicht in die
Betäubungen zu flüchten, nicht zu murren und nicht finsteren Herzens zu werden ob
der Mühsal unseres Lebens.
Hilf
uns, den Weg der Liebe zu gehen – im Erleiden ihres Anspruchs zur wahren Freude
zu kommen.
Kreuzweg am Kolosseum in
Rom, 2005